Statt anstrengender Liegestützen: Augenliegestützen
Sturzprophylaxe im Gehirn
Fünfzigmal, jeden Mittwoch versammelte sich im Spital zum Heiligen Geist eine Runde älterer Seniorinnen um Thomas Jack Wanner zum REHA-Sport. Wer an REHA-Sport denkt, denkt zunächst an Krafttraining, Fitnessübungen für Muskeln und Gelenke. Die klassische Sturzprophylaxe. Doch die Runde begann mit Hände reiben. Das stimuliert den Cortex, die Großhirnrinde und fördert die reflektive Stabilität, erklärt Wanner. Dabei geht es darum, ungewollte bzw. unkontrollierte Bewegungen zu vermeiden. Danach geht es um das periphere Sehen. Statt anstrengender Liegestützen: Augenliegestützen. Sich auf Stäbe konzentrieren, die vor sich her bewegt werden. Denn wenn man Hindernisse rechts und links nicht richtig wahrnimmt, kann das schnell die Ursache von Stürzen sein, weiß Wanner. Deshalb sei es so wichtig, peripheres Sehen zu trainieren. „Augenliegestützen sind nicht so sexy wie Liegestützen, aber das bringt euch was!“, motivierte er die Seniorinnen. Und weist auch darauf hin, dass Sehübungen auch gegen Kopfschmerzen wirksam sein können. Dann folgen Kniebeugen und Gleichgewichtsübungen zum sicheren Stand.
Oft sei es so, dass es nicht die körperlichen Einschränkungen sind, die dazu führen, dass man etwas nicht kann, sondern die „Programmierung“ im Gehirn das Signal gibt, „das kannst du nicht (mehr)“. „Das Gehirn sieht eine ‚Bedrohungslage‘ und hat die Aufgabe, unser Überleben zu sichern“, erklärt er. Bei diesem REHA-Sport gehe es eben darum, diese Schutzmuster zu durchbrechen. Hier kann REHA-Sport im Bereich Neurologie sehr viel helfen, weiß Wanner aus jahrelanger Erfahrung. „Wir arbeiten mit dem Hirnstamm, und da kann man einiges beeinflussen.“ Neuroplastizität beschreibe die Fähigkeit des Gehirns, sich zu verändern und anzupassen. Das Gehirn sei ein bemerkenswert anpassungsfähiges Organ. Auch beim Umgang mit Schmerzen gäbe es hilfreiche Übungen. „Unsere Bewegungen sind neuronal an vielen Stellen überkreuz miteinander verschaltet“, so könnten Schmerzen auch über diagonal gegenüberliegende Gelenke beeinflusst werden. Beispielsweise rechte Hand und linker Fuß. Das Wissen über diese neurologischen Zusammenhänge könnte auch im Pflegealltag oft ganz hilfreich sein, ist Wanner überzeugt.
Die Stunden waren immer kurzweilig und immer wieder viel zu schnell vorbei. Doch es gab auch Hausaufgaben bis zum nächsten Mal: beispielsweise peripheres Sehen trainieren und Gleichgewichtsübungen zum sicheren Stand.
„Schade, dass die 50 Termine nun vorbei sind“, bedauert Hausleiterin Annette Wolfram und hofft, dass es irgendwann in absehbarer Zeit eine Fortsetzung gibt.