Pflege kann bald nicht mehr für alle bedürftigen Menschen garantiert werden
Personalmangel, Corona-Schutzmaßnahmen und Energiekrise belasten Altenpflegeeinrichtungen und Sozialstationen – Insolvenzen drohen
Für ältere und pflegebedürftige Menschen wird es zunehmend schwer, eine passende und adäquate Versorgung zu finden. Die Kapazitäten der Sozialstationen und der Altenpflegeheime sind am Anschlag oder bereits überschritten. „Wir können eine vollumfängliche Versorgung nicht mehr garantieren“, so die Anzeige von Boris Strehle und Professor Dr. Wolfgang Wasel, Sprecher des „Netzwerk Alter und Pflege“ im Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart. Zurückzuführen sei dies auf eine Kombination aus Personalmangel, Corona-Schutzmaßnahmen und Energiekrise. Die katholischen Altenhilfeträger in Württemberg mobilisieren seit Ausbruch von Corona zwar alle nur möglichen Kräfte, doch nun gelte es auch die Preisexplosionen bei Energie und Sachkosten zu bewältigen. Sie fordern von der Politik, die Liquidität der Pflege zu sichern.
„Bei diesem außerordentlichen Preisschub bei Energie und Lebensmitteln können unsere Einrichtungen und Dienste nicht mehr lange ihr Angebot aufrecht erhalten. Greifen Bund und Land nicht ein, wird es zu Insolvenzen kommen“, erklären die Netzwerksprecher. Das Angebot für pflegebedürftige Menschen werde deutlich schrumpfen. „Die Versorgung genau jener Menschen ist gefährdet, die in dieser Krise besonders auf Unterstützung angewiesen sind.“ Die hohen Kosten an die Pflegebedürftigen weiterzugeben, sei nicht realistisch, da Pflege für viele dann nicht mehr bezahlbar sei.
Insbesondere Strom und Gas unterliegen teils enormen Preisanstiegen von 100 Prozent und mehr. Hinzu kommen Preissteigerungen bei Lebensmitteln. Die ambulanten Dienste leiden unter den Treibstoffpreissteigerungen. Nach und nach erhöhen sich auch die Preise in den Wäschereien oder für Handwerksleistungen. Kämen im nächsten Jahr eine oder mehrere neue Infektionswellen, müssten Pflegeeinrichtungen, insbesondere in der Tagespflege, erneut mit Einnahmeneinbußen rechnen, so die Netzwerksprecher. Voraussichtlich werden auch zusätzliche Kosten anfallen, wenn Mitarbeitende krankheitsbedingt ausfallen und beispielsweise durch Leiharbeiterinnen oder Leiharbeiter ersetzt werden müssen.
Da gemeinnützige Einrichtungen wie die der Altenpflege nur begrenzt Rücklagen bilden dürften, „haben wir nicht mehr viel Zeit“, so Wasel und Strehle. Die Einrichtungen könnten nicht auf positive Verhandlungsergebnisse etwa mit den Kassen und Kommunen setzen. Dass die Menschen weiterhin umfassend und würdig gepflegt und betreut werden, gehe nicht zum Nulltarif.
Im Netzwerk „Alter und Pflege“ haben sich 74 katholische Anbieter von stationärer und ambulanter Hilfe in der Diözese Rottenburg-Stuttgart zusammengeschlossen. Die Mitglieder des Netzwerks unterstützen, pflegen und sorgen für Menschen in unterschiedlichen Bedarfslagen. Diesen Beitrag leisten die katholischen Träger auf hohem, professionellen Niveau und nach anerkannten Standards bei gleichzeitiger Bezahlung von Tariflöhnen für die Beschäftigten. In Kooperation mit Akteuren aus Kirche, Politik, Kommunen und Praxis setzen sich die katholischen Träger dafür ein, dass Pflege und Betreuung im Sozialraum nah am Menschen stattfinden können.