Neues Infektionsschutzgesetz
Altenhilfeträger sehen politische Vorgaben wie Maskenpflicht als realitätsfern
Umsetzung der Maskenpflicht in der Tagespflege und bei demenzerkrankten Menschen nicht möglich – Gesetz erschwert Versorgung der Menschen massiv
Eine Maskenpflicht in den Alten- und Pflegeheimen auch für die Bewohner „ist schlichtweg nicht umsetzbar“. Dies sagen Boris Strehle und Professor Dr. Wolfgang Wasel, Sprecher des „Netzwerk Alter und Pflege“ im Caritasverband der Diözese Rottenburg-Stuttgart anlässlich des Tages der älteren Menschen (1. Oktober). Vielfach würden am Schreibtisch Gesetze gemacht, die „völlig an der Lebensrealität in der Pflege vorbeigehen“. Viele Vorschriften, die etwa in Krankenhäusern durchaus erforderlich wären, ließen sich nicht einfach auf die Altenhilfe übertragen, wie beispielsweise die im neuen Infektionsschutzgesetz verhängte Maskenpflicht. „Es ist einfach nicht möglich, die älteren Menschen in den Gemeinschaftsunterkünften zum Maskentragen zu verpflichten. Diese Regelung schränkt die Lebensqualität der älteren Menschen drastisch ein.“ Die Träger fordern, das Maskentragen für pflegebedürftige Menschen in der stationären Pflege wie in der Tagespflege aus dem Bundesgesetz zu streichen.
Das Land Baden-Württemberg stehe derzeit in Rücksprache mit den Diensten und Einrichtungen der Sozialwirtschaft und suche in seinem Einflussbereich nach guten Lösungen, um vor Infektionen zu schützen und zugleich ein gutes Leben für die Menschen zu gewährleisten. Dies gelte leider nicht für die Bundesgesetze, kritisieren Wasel und Strehle. Das Gesetz zur Maskenpflicht etwa sei nicht akzeptabel, denn die Gemeinschaftsräume, in denen das Tragen vorgeschrieben ist, seien in einem Pflegeheim das Wohnzimmer der Bewohnerinnen und Bewohner. Die älteren Menschen könnten sich bei einer Maskenpflicht nicht mehr unbeschwert dort treffen oder gemeinsam fernsehen. „Das hat massive Auswirkungen auf das Wohlbefinden der Bewohner und kann nicht das Ziel sein“, kritisieren die Netzwerksprecher. „Wenn wir alles reglementieren, erreichen wir die älteren Menschen mit unseren Angeboten nicht mehr.“
Vor allem in der Tagespflege werde die Umsetzung der Maskenpflicht zum Spießrutenlauf. Die pflegebedürftigen Menschen müssten die Maske laut Gesetz den kompletten Tag – also bis zu neun oder zehn Stunden – aufbehalten, Essenszeiten ausgenommen. Auch während der Mittagsruhe, die gemeinsam in einem dafür vorgesehen Raum abgehalten wird, sei die Maske zu tragen, „und das halten wir schlichtweg außerhalb jeder Realität“, so Wasel und Strehle.
Ebenso sei die Maskenpflicht bei Menschen mit Demenz nicht machbar. „Sie akzeptieren die Maske nicht am eigenen Körper, verstehen den Sinn nicht und werden das Tragen schlichtweg verweigern.“ Die Mitarbeitenden würden in Folge durchgehend beschäftigt sein, Masken aufzusetzen. Viele Gruppenleiter befänden sich in einem Dilemma. Sie hätten mit der Maskenpflicht eine rechtliche Anforderung zu verantworten, deren Umsetzung sie nicht beeinflussen könnten. Hier wird deutlich, wie weit das Bundesgesetz an der praktischen Pflege vorbegeht. Um die wichtige Arbeit der Pflegenden für die Versorgungssicherheit zu sichern, müssen diese Lücken gesetzlich geschlossen werden.
Im Netzwerk „Alter und Pflege“ haben sich 74 katholische Anbieter von stationärer und ambulanter Hilfe in der Diözese Rottenburg-Stuttgart zusammengeschlossen. Die Mitglieder des Netzwerks unterstützen, pflegen und sorgen für Menschen in unterschiedlichen Bedarfslagen. Diesen Beitrag leisten die katholischen Träger auf hohem, professionellem Niveau und nach anerkannten Standards bei gleichzeitiger Bezahlung von Tariflöhnen für die Beschäftigten. In Kooperation mit Akteuren aus Kirche, Politik, Kommunen und Praxis setzen sich die katholischen Träger dafür ein, dass Pflege und Betreuung im Sozialraum nah am Menschen stattfinden können.